Wer mir auf facebook oder auf goingelectric folgt, der hat sicher schon mitbekommen, dass ist die Bestellung meines weißen Hyundai Ioniq Premium Mitte Juni storniert und eine elektrische B-Klasse als Vorführwagen erworben habe. Doch wie kam es zu dieser Entscheidung ?
Die B-Klasse hat mich schon als Verbrenner angesprochen
Bereits vor meinen Überlegungen, auf ein Elektrofahrzeug zu wechseln, war die B-Klasse ein heißer Anwärter als Nachfolge für mein C-Klasse T-Modell (W203). Als die Baureihe 2011 in neuer Form auf den Markt kam, bin ich sämtliche Motorisierungen Probe gefahren. Das großzügige Raumangebot in Verbindung mit der hohen Sitzposition, die erstklassige Verarbeitung und ein Kraftstoffverbrauch von um die 4 Liter Diesel waren für mich Argumente, welche für das Fahrzeug sprachen. Dann stiegen die Kraftstoffpreise und das Lottospiel, den richtigen Zeitpunkt zum Tanken abzupassen nervte zunehmend. Zwar gab es damals noch keinen Dieselgate, dennoch wollte ich ein Zeichen setzen und elektrisch fahren und sei es nur, um der Mineralölindustrie eins auszuwischen. So fuhr ich den Renault Zoe Probe und auch wenn dies für mich ein Fahrzeug mit vielen Kompromissen gewesen ist, so war dieser 2013 die einzig vernünftige und vor Allem bezahlbare Möglichkeit, elektrisch zu fahren. Einer miesen Haptik und französisch legerer Verarbeitung stand ein bis zu 43kW schneller Wechselstromlader und eine NEFZ Reichweite von 210 Kilometern gegenüber, das war 2013 sensationell.
Der Zoe überzeugt technisch, die Verarbeitung ist jedoch für den Preis zu schlecht
Vier Jahre später und kurz vor dem Ablauf meines Leasing für den Zoe, ist die Zeit nicht stehen geblieben. Ende 2014 brachte Mercedes die elektrische B-Klasse auf den Markt, welche für mich zum heißen Zoe-Nachfolger wurde. Der neue Zoe kam nicht in Frage, zu schlecht die Erfahrungen anderer Nutzer, dazu kamen die eigenen Erfahrungen von fast 4 Jahren, welche aufzeigten, dass sowohl die Reichweite als auch die Ladedauer fern der Realität waren. Auch wenn die maximale Sommerreichweite von 190
Kilometern fürs Tägliche vollkommen ausreicht, so nervt die Ladedauer im Winter enorm. Bis zu 4 Stunden nuckelte meine Französin in der kalten Jahreszeit am Strom, bis der nicht einmal vollständig entladene Akku aufgeladen war. Das billige, kratzempfindliche Hartplastik ist eine Frechheit für den Preis und die nicht geteilt umlegbare Rücksitzbank nervt. Der Renault Zoe ist ein Renault im Dacia-Gewand und das für über 20000 € zzgl. Akkumiete. Rechnet man das alles zusammen legt man für einen Zoe mit dem kleinen Akku locker 30000€ auf den Tisch, mit dem neuen 40kW Akku sogar 38000.
Ein Koreaner kommt ins Spiel
Ende 2016 brachte Hyundai ohne großes Aufsehen den IONIQ Electric auf den Markt. Ich hatte bereits einen IONIQ bei Testfahrten in der Region herumfahren gesehen und wurde neugierig. 280 km NEFZ Reichweite waren in Anbetracht dessen, was Opel mit dem Ampera-e angekündigt hatte zwar nicht überragend, vom Preis-/Leistungs-Verhältnis wusste der IONIQ jedoch zu überzeugen. Für 38000€ Listenpreis gibt es den IONIQ nahezu mit Vollausstattung, elektrische Ledersitze mit Memoryfunktion, LED-Abblendlicht, Abstandsregeltempomat, aktiver Spurhalteassistent, CCS-Schnelllader, Rückfahrkamera u.v.m. stehen hier auf der Ausstattungsliste. Zieht man den Umweltbonus ab, bleiben 34000 €, anschauen lohnt also, denn eine ebenso üppig ausgestattete B-Klasse ohne CCS kostet neu weit über 40000 €.
Der IONIQ ist ein tolles Auto, aber…
Ich wollte den IONIQ testen und zwar ganz bewusst bei niedrigen Temperaturen, denn hier zeigen sich Elektoautos erfahrungsgemäß von ihrer schlechtesten Seite. Bereits eine Probefahrt mit dem IONIQ zu bekommen gestaltete sich schwierig und eigentlich hätte mich das schon stutzig machen sollen. Ich schob die mangelnde Verfügbarkeit des Fahrzeugs auf das mangelnde Interesse der Händler, denn viel streuben sich davor, Elektroautos zu verkaufen. Nicht so Jürgen Sangl, welcher mit viel Aufwand professionelle Videos gedreht hat, um einem das Fahrzeug näher zu bringen. Wer diese Videos gesehen hat, kennt den IONIQ besser als die Vielzahl der Hyundaihändler in Deutschland. Zudem bietet das Autohaus Sangl sensationelle Konditionen und in den Foren wird Jügen Sangl als Elektropapst gefeiert. Für 32000€ hätte ich dort einen IONIQ bekommen, also fuhr ich nach Landsberg um dort für 3 Tage den IONIQ zu testen und im Anschluss den Kaufvertrag zu unterschreiben. Jetzt kommt das Aber. Was folgte waren Monate des Frustes, nach der Bestellung kein Lebenszeichen mehr von dem IONIQ. Herr Sangl hatte das Auto im Dezember vorbestellt und es wurde mir Ende Februar als Liefertermin Mai geanannt. Grundsätzlich zähle ich nicht zu den geduldigsten Menschen, schon gar nicht beim Auto. 3-4 Monate Wartezeit sind für mich das höchste der Gefühle, alles was darüber hinausgeht indiskuttabel. Ende April dann eine Nachricht von Herrn Sangl, mein Fahrzeug sei von den Lieferverzögerungen betroffen und es würde wohl Juni, schade und ärgerlich, aber so lange wäre ich noch bereit gewesen zu warten.
Immer wieder Verzögerungen
Wenn man ungeduldig auf ein Auto wartet, vertreibt man sich die Zeit mit Gleichgesinnten. Im Forum von Goingelectric verfolgten manche User sogar den Status des Schiffes, auf welchem ihr IONIQ vermutlich befördert wurde, andere berichten davon, dass ihr Fahrzeug schon seit Wochen in Bremerhaven steht und wiederum andere bloggen in ausgiebigen Videos nahezu täglich die Vorteile dieses tollen Autos, was die Wartezeit noch unerträglicher macht. Es wird Ende Mai und immernoch fehlt jede Spur vom IONIQ, kein Produktionsdatum, Lieferung ungewiss, Anfang Juni geht man von frühestens Ende Juli aus. Andere auf die auf der Warteliste vor mir bestellt haben, bekommen von ihren Händlern September/Oktober genannt.
Ich entdecke die B-Klasse neu
Verägert und enttäuscht von Hyundai und ihrer schlechten Kommunikation, fahre ich die elektrische B-Klasse Probe. Da ich seit 1998 Kunde bei Mercedes bin und mein Auto fürs Geschäft eine V-Klasse ist, fühle ich mich auf Anhieb wohl im Fahrzeug. Die Verarbeitung ist tadellos und das Auto fährt eine ganze Ecke ruhiger als der Zoe oder der IONIQ. Das Platzangebot ist sensationell was das Fahrzeug in Anbetracht von Diskussion zu Dieselfahrverboten auch für das Geschäft interessant macht. Es beginnt eine Phase der Abwägung, da wäre der IONIQ, der in Bezug auf Reichweite und Ladung fortschrittlicher ist aber weniger Raum bietet und die elektrische B-Klasse, welche deutlich mehr Platz bietet, aufgrund ihrer Größe jedoch mehr Strom verbraucht und über keine Gleichstrom-Schnellladung verfügt. Zunächst verweist der Kaufpreis die elektrische B-Klasse deutlich ins Abseits, nach etwas Suche finde ich jedoch einen Vorführwagen, der mit 3000 Kilometern auf dem Tacho 16000 € unter Listenpreis verkauft wird. Vermutlich liegt es daran, dass die Produktion der elektrischen B-Klasse im September eingestellt wird und die Händler daher versuchen, Ihre Fahrzeuge abzustoßen. Mich selbst stört der Umstand nicht, ein Auslaufmodell zu fahren, ganz im Gegenteil, in Bezug auf das Fahrzeug ist die B-Klasse ein ausgereiftes Fahrzeug ohne Kinderkrankheiten und das erhalte ich zu geringeren monatlichen Kosten als den Zoe !
Vor- & Nachteile
Noch mehr als bei jeden herkömmlichen Fahrzeug, muss man beim Kauf eines Elektrofahrzeuges das persönliche Anforderungsprofil in Augenschein nehmen. Wie weit fahre ich in der Regel, was für Strecken fahre ich und wo kann ich wie laden. Bei den viele Vorteilen, welche der IONIQ mit sich bringt, hat er leider den Nachteil, an Wechselstrom nur an einer Phase laden zu können. Auch wenn mit einem entsprechenden Kabel theoretisch eine Ladegeschwindigkeit von 6,7 kW möglich ist, so ist es i.d.R. aufgrund der Schieflastverordnung nur erlaubt, mit maximal 4,7 kW zu laden. Die elektrische B-Klasse ist zwar auch kein Laderenner aber sie kann zumindest 3-Phasig mit 11 kW an Typ2-Wechselstromladesäulen laden. Der 28 kW-Akku des Mercedes wäre somit in knapp 3 Stunden vollständig aufgeladen, wohingegen der ebenfalls 28 kWh große Akku des IONIQ fast doppelt so lange braucht. In meiner Region gibt es leider noch keine CCS-Ladesäulen, daher liegt der Schwabe hier schon einmal mit der Nase vorne. Für die Langstrecke auf der Autobahn habe ich die V-Klasse, d.h. ich bin nicht zwingend darauf angewiesen, längere Strecken mit der B-Klasse zu fahren, der fehlende CCS-Lader ist also zu vernachlässigen. Schade, dass Mercedes keinen Deal mit Tesla gemacht hat, welche den Antriebsstrang und die Akkus für die elektrische B-Klasse herstellen, denn dann könnte die B-Klasse an den Tesla-Superchargern auch in kurzer Zeit voll geladen werden.
Was ich jedoch brauche ist Platz, insbesondere in Anbetracht drohender Dieselfahrverbote. Auch hier punktet die B-Klasse, die deutlich höher ist und somit mehr Volumen laden kann. Zu guter Letzt wäre da noch meine Werkstatt, welche mich seit vielen Jahren als Kunden kennt und mit welcher ich sehr zufrieden bin. Die Ersatzteilversorgung bei Mercedes ist vorbildlich, bei Hyundai habe ich da so meine Zweifel, denn wer schon nicht in der Lage ist, seine Fahrzeuge pünktlich auszuliefern, bei dem muss man sich auch sorgen, dass das Auto unter Umständen länger als notwendig in der Werkstatt steht, weil Ersatzteile nicht lieferbar sind…