Es ist das Damoklesschwert welches über den Elektromobilisten schwebt, der Reichweitenverlust oder in der Fachsprache der Rückgang des State Of Health (SOH) des Antriebsakkus. Akkus verschleißen, das ist hinlänglich bekannt und so wie die Akkus bei Notebooks oder Handys im Laufe der Jahre an Leistung einbüßen, so ist das auch beim Auto der Fall. Moderne Akkuchemie und ausgeklügelte Akkumanagementsysteme sollen die Leistungseinbußen auf ein Minimum reduzieren. So fällt beispielsweise bei hochpreisigen Marken-Notebooks auf, dass die Lebensdauer der Akkus deutlich über der günstiger Geräte liegt. Doch wie verhält es sich beim Elektroauto ?
Spürbare Leistungseinbußen nach 3 Jahren ?
Etwas über drei Jahre fahre ich nun meine Zoe, fast 50000 Kilometer habe ich rein elektrisch zurückgelegt, doch welchen Verschleiß hat der Akku in der Zeit erlitten und wie macht sich das im Alltag bemerkbar ? Zugegeben, der letzte Winter hat meine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Nicht genug, dass Akkus im Winter langsamer laden und ohnehin schon eine geringere Reichweite als bei milden Temperaturen haben, Dauerfrost und ein scheinbar alternder Akku haben dazu geführt, dass ich anfing an der Elektromobilität zu zweifeln. Trotz extrem sparsamer Fahrweise und geringem Heizungseinsatz waren nur mit viel Mühe noch Reichweiten von etwas über 100 Kilometern zu erreichen. Als das Fahrzeug neu war, konnte ich bei vergleichbarer Fahrweise 120 bis 130 Kilometer herausholen. Nun ließe sich eine geringer werdende Reichweite ja noch verschmerzen, würde das Auto halbwegs schnell laden, leider war aber auch das nicht der Fall. Für eine Ladung von 50 auf 100 % stand das Fahrzeug an einer 22 kW Säule bis zu 3 Stunden, normalerweise sollte der Akku an einer 22 kW-Säule innerhalb von 30 Minuten voll aufgeladen sein. Da Winter war, hätte ich auch die doppelte Ladedauer von 1 Stunde noch tolleriert aber 180 Minuten sind die 6-fache Dauer und das kann schon nerven. Fast 6 Stunden dauerte die Ladung von 20 auf 100% an 11kW Ende Februar bei einer prognostizierten Reichweite von 109 Kilometern von schnellem Laden konnte hier keine Rede mehr sein.
Es liegt am Balancing
Das Problem: Das Balancing. Zwar lädt das Fahrzeug auch bei niedrigen Temperaturen noch relativ zügig (laut Monitor meiner 11kW-Wallbox mit 6 bis 8 kW/h), für das letzte Prozent vergehen aber teilweise bis zu 2 Stunden. Die Zoe führt bei 99 % das so genannte Balancing durch. Hierbei handelt es sich um den Zellausgleich, alle Zellen des Akkus sollen hier auf den gleichen Ladezustand gebracht werden. Zwar kann die Ladung auch bei 99% abgebrochen werden, das kann mitunter aber dazu führen, dass einem statt 99% plötzlich nur noch 90% zur Verfügung stehen, entsprechend verkürzt sich die Reichweite.
Nur noch 83% SOH
Ich hatte schon seit längerem bemerkt, dass die Gesamtreichweite nach dem Reset des Bordcomputers immer weiter zurück ging. Dies führte ich auf den Verschleiß der Akkuzellen zurück. Nach diesem Winter wollte ich es genauer wissen und bat meine Fachwerkstatt, die Akkugesundheit auszulesen. Das Ergebnis war ernüchternd, nur noch 83 % betrug der SOH. Sollte es wirklich so sein, dass ein Elektroauto nach 3 Jahren und knapp 50000 Kilometern bereits 27% seiner Akkukapazität verloren hat ? Wenn es so wäre, dann würde dies kein gutes Bild auf die Akkus und deren Halbarkeit werfen und die Grenze von 75%, ab welcher Renault den Akku wechselt, sollte bald erreicht sein.
Das Forum hilft
Seit ich mich für Elektromobilität ernsthafter interessiere, bin ich Mitglied bei Goingelectric. Neben einem praktischen Routenplaner für Elektrofahrzeuge findet man dort auch ein Forum, in welchem sich Elektromobilisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz tummeln. Für nahezu jedes Elektroauto gibt es ein Unteforum, so auch für die Zoe. Auf Hinweis von Stefan Kopeinig, den ich schon seit vielen Jahren virtuell kenne, wurde ich auf das BMS-Update aufmerksam. Zoe-Besitzer aus dem Forum hatten nach dem Update wieder bis zu 98% SOH bei Fahrzeugen, welche ähnliche Laufzeiten und Laufleistungen hatten, wie meine Zoe. Lange andauerndes Balancing, stark verlängerte Ladezeiten und ein SOH um die 80% sind Hinweise für die Notwendigkeit des Updates. Der Fehler: Das Batteriemanagementsystem (BMS) der Zoe sperrt nach und nach gesunde Akkuzellen, was zu einer Verminderung der Gesamtkapazität und somit zum Reichweitenverlust führt.
Schlechter SOH nur ein Computerfehler ?
Mit dieser Information gestärkt wendete ich mich erneut an meine Fachwerkstatt. Dort teilte man mir mit, dass ich für dieses Update zur Renault Niederlassung nach Frankfurt müsse, da nur diese eine Hochvoltzertifizierung besäßen und man daher nur dort dieses Update durchführen könne. Gesagt getan, also habe ich für den 27.03.2017 einen Termin bei Renault in Frankfurt ausgemacht. Während ich auf den Meister wartete, hatte ich Gelegenheit, mir die neue Zoe anzuschauen. Angeblich wäre das Interieur im Vergleich zu meinem Modell deutlich aufgewertet worden. Das Ausstellungsfahrzeug war natürlich eines mit der Spitzenausstattung Bose Edition und verfügte neben einem Bose-Soundsystem auch über Ledersitze und gepolsterte Kunstlederapplikationen an den Armlehnen in den Türen. Auch der Griff der Handbremse ist nicht mehr aus billigem Hartplastik sondern aus Leder, der Rest des Fahrzeugs ist aber noch genauso minderwertig verarbeitet, wie bei meinem Fahrzeug – Hartplastik soweit das Auge reicht.Die glatten Ledersitze und die Farbkombination aus Braun- und Beigetönen überzeugen mich nicht wirklich. Schade, denn Renault könnte es besser. Für die 3 Tage welche meine Zoe in der Werkstatt stand, hatte ich eine Renault Clio als Leihwagen. Dieses Fahrzeug, welches mit der Zoe vom gleichen Band läuft, wirkt deutlich wertiger verarbeitet. Der Oberteil des Armaturenbrettes ist aus aufgeschäumtem Kunststoff, Armablagen und Knöpfe wirken deutlich wertiger als in der Zoe und die Sitze sind sehr bequem und vermitteln guten Seitenhalt. Warum geht das nicht auch bei der Zoe ?
Die Reichweite steigt
Dank der Vernetzung meines Fahrzeuges wurde ich kontinuierlich über Veränderungen des Ladezustandes per SMS informiert, zunächst fiel dieser unter 50%, dann zeigte das Fahrzeug bei 100 % eine Reichweite vom 135 Kilomtern an, das hatte ich ewig nicht mehr. Einen Tag später waren es dann über 200 Kilometer, gut da wurde offenbar ein Showroom-Reset durchgeführt. Mit über 200 Kilometern prognostizierter Reichweite konnte ich nach 3 Tagen mein Auto wieder abholen. Zwar konnte ich anfangs zusehen, wie die Reichweite schwand, letztendlich pendelte sich diese aber bei 165 realistischen Kilometern ein und das trotz Autobahnfahrt bei Tempo 100 bis 110. 3 Tage nach dem Werkstattaufenthalt hatte ich 140 Kilometer zurückgelegt und 19 kWh Strom verbraucht, Werte welche den Rückschluss zulassen, dass der SOH meines Akkus fast den Neuzustand erreicht hat. Bleibt abzuwarten, wie sich die Werte in den kommenden Wochen entwickeln.
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